16.08.2023

Dental

e.max® vs. Zirkon – Wir vergleichen die Materialien anhand kritischer Erfolgsfaktoren

Ob e.max® oder Zirkon, beide Materialien sind aus der Dentalbranche nicht mehr wegzudenken – obwohl sie zum Jahrtausendwechsel noch keine Rolle gespielt haben. Die erste Generation von Zirkon gibt es seit 1999 und erinnerte optisch eher an Badezimmerporzellan.

In den folgenden Abschnitten beleuchten wir die Eigenschaften der beiden Materialien im Detail. Seien Sie gespannt, welches der beiden Materialien den Sieg nach Hause tragen wird.

e.max® vs. Zirkon

e.max® oder Zirkon: Welches Material ist vielfältiger?

Besser aber wir sprechen anstatt von e.max® von Lithium(di)silikat. e.max® hat sich in der Umgangssprache etabliert, wenn von Lithium(di)silikaten die Rede ist (wir verwenden die Schreibweise „Lithium(di)silikat“, da sowohl Lithiumsilikate als auch Lithiumdisilikate am Markt erhältlich sind). Mit dem Launch seitens Ivoclar (2005) war dieses neuartige Material am Dentalmarkt das erste seiner Art – inzwischen spricht man von e.max® bei Lithium(di)silikaten wie von Tempos bei Taschentüchern. Bei Zirkon ist die sprachliche Herleitung dagegen selbsterklärend. Es handelt sich dabei schlichtweg um die Kurzform von Zirkoniumdioxid, deshalb verwenden wir die Bezeichnungen in diesem Beitrag synonym.

Immer wieder versuchen e.max® Mitbewerber, auf den Markt zu drängen, aber bis heute behauptet Ivoclar e.max® CAD seine Position als unangefochtener Platzhirsch. Neueste Fabrikate von Dentsply Sirona, GC und HASS Corp. brauchen zwar im Gegensatz zu e.max® CAD keinen Kristallisationsbrand mehr, aber es bleibt abzuwarten, ob sie sich trotz ihrer Vorteile durchsetzen können.

Am Zirkonmarkt sieht das anders aus. Hier verlieren selbst Branchenkenner:innen schnell den Überblick. Es besteht eine schier unüberblickbare Auswahl an Herstellern, die verschiedenste Varianten in unterschiedlichsten Transluzenzen, Schichtungen, Färbungen und Festigkeiten anbieten. Auch die Preise variieren stark. Das Portfolio hält für jeden Workflow und für jedes ästhetische Empfinden das ideale Material bereit.

Wenn wir uns also die Frage e.max® oder Zirkon stellen, hat in diesem Punkt Zirkon die Nase vorn. Mehr Auswahl, mehr Wettbewerb und dadurch mehr Möglichkeiten für die Anwender:innen.

Lithium(di)silikat vs. Zirkon: 0:1

e.max® oder Zirkon: Welches Material ist ästhetischer?

Die Ästhetik des natürlichen Zahns ist einzigartig und deshalb auch heute noch schwer nachzuahmen. Lithium(di)silikate wie e.max® bilden hierfür aber eine gute Basis. Der Werkstoff ist hochtransluzent, weist einen Glanz auf, der dem seines Vorbilds nahekommt und besitzt wie der natürliche Zahn Fluoreszenz. Zirkon dagegen ist auch in den hochtransluzenten Varianten mit 5 Mol% Yttriumoxid immer noch opaker als der Zahnschmelz. Im Gegensatz zu Lithiumsilikaten und Lithiumdisilikaten besitzt Zirkon auch keine Fluoreszenz und hat eine höhere Lichtbrechung als sein natürliches Vorbild. Lithium(di)silikat passt sich folglich besser in die bestehende Zahnsubstanz ein.

Höherwertige Zirkoniumdioxide wie zum Beispiel das industriell voreingefärbte Zirkon FAB Zirconia 3D ML punkten dagegen mit einem Farb- und Transluzenzverlauf. Bei der Entwicklung dieser Materialien stand die Nachahmung des natürlichen Zahns im Vordergrund. Trotzdem haben Lithium(di)silikate durch ein zahnähnlicheres Lichtspiel die Nase in puncto Ästhetik insgesamt vorne. Noch höher soll die Ästhetik laut einigen Experten bei Lithium(di)silikat-Presskeramiken sein – Wir fokussieren uns aber auf den CAD/CAM-Workflow, weshalb wir diese im heutigen Vergleich nicht berücksichtigen.

Lithium(di)silikat vs. Zirkon: 1:1

e.max® oder Zirkon: Welches Material besitzt die besseren mechanischen Eigenschaften?

Beide Materialklassen besitzen eine Biegefestigkeit, die über der des natürlichen Zahns liegt (Zahnschmelz: ca. 300 MPa). Lithium(di)silikate erreichen bis zu 400 MPa, hochfeste Zirkoniumdioxide mit 3 Mol% Yttriumoxid liegen bei ca. 1200 MPa. Deshalb sind Lithium(di)silikate in der Regel nur für Einzelzahnrestaurationen ausgelegt, die meisten Zirkone sind aber für bis zu 16-gliedrige Brücken freigegeben. Der Festigkeitsvergleich geht also eindeutig an Zirkoniumdioxid. Trotzdem, einen Wermutstropfen bringt das Material mit sich: seine hohe Härte. Diese sorgt bei unzureichender Politur für einen Abrieb am Antagonisten.

Rein unter dem Aspekt der mechanischen Eigenschaften ist Zirkon e.max® und anderen Lithium(di)silikaten dennoch vorzuziehen, zumal es weniger spröde als Glaskeramiken ist. Bei ihnen kann es in einem Moment der Unachtsamkeit oder durch etwas abgenutzte Werkzeuge schnell zu Splitterungen kommen.

Lithium(di)silikat vs. Zirkon: 1:2

e.max® oder Zirkon: Welches Material gewinnt beim Fertigungsprozess im Labor?

Grundsätzlich ist der Ablauf bei beiden Materialien ähnlich: Auf die CNC-Bearbeitung folgt ein Brand. Im Detail unterscheidet sich der Prozess aber erheblich. Zirkon Disks werden mit einer hohen Porosität im Weißlingszustand von bis zu 50 % ausgeliefert und lassen sich dadurch unkompliziert trocken fräsen. Lithium(di)silikat Blöcke sind hingegen dicht und deshalb schwerer zu bearbeiten. Sie müssen unter Kühlung nass geschliffen werden. Während die Bearbeitung von Zirconiumdioxid für die auf dem Markt befindlichen dentalen Fräsmaschinen zum Standardrepertoire zählt, ist nicht jede Maschine für die Nassbearbeitung von Lithium(di)silikat ausgelegt. Es beansprucht Werkzeug und Maschine mehr, der Verschleiß ist höher. Durch die hohe Sprödigkeit des Materials ist das Risiko von ausgefransten Rändern bei Lithium(di)silikat höher. Leicht abgenutzte Schleifer können hier schnell zum Problem werden.

Im Anschluss an die CNC-Bearbeitung erhält das Material im Brand seine endgültigen Eigenschaften. Während Lithium(di)silikat nur noch fertig kristallisiert wird, erfolgt bei Zirkon eine vollständige Sinterung, um den Porenraum zu schließen. Die Kristallisation von Lithium(di)silikat erfolgt bei Temperaturen von 800 bis 850 °C (je nach Fabrikat) und dauert ca. 30 Minuten, bei Zirkon sind über 1450 °C notwendig. Dabei dauert das Sinterprogramm häufig mehr als 7 Stunden.

Die CNC-Bearbeitung ist bei Zirkon eindeutig einfacher. Lithium(di)silikat hat jedoch einen deutlich kürzeren und energieärmeren Postprozess, weshalb diese Kategorie mit einem Unentschieden endet.

Lithium(di)silikat vs. Zirkon 2:3

e.max® oder Zirkon: Welches Material spart mehr Zeit im Gesamtprozess?

Lithium(di)silikat Hersteller werben gerne mit der Schnelligkeit des Gesamtprozesses und somit der Eignung des Materials für eine one-visit Behandlung bei Zahnärzt:innen. Ein großer Konzern wirbt mit Gesamtprozesszeiten von unter 30 Minuten für sein Lithium(di)silikat Cerec Tessera (CNC-Bearbeitung und Kristallisierungsbrand). Ob in der Praxis diese Zeiten wirklich erreicht werden, sei dahingestellt, aber sie unterstreichen, dass Lithium(di)silikat eindeutig ein Chair-Side Material ist.

Das war bei Zirkoniumdioxid lange Zeit anders, aber in den letzten Jahren sind immer mehr „speedsinterfähige“ Zirkoniumdioxide in Blockform – im Wesentlichen für Einzelzahnrestaurationen – auf den Markt gekommen. Sie lassen sich in deutlich unter einer Stunde sintern. Das hat aber seinen Preis: Die Ästhetik leidet darunter. Dasselbe Zirkon ist speedgesintert weniger farbintensiv und transluzent, als es nach einer herkömmlichen Sinterung mit über 7 Stunden wäre. Das schränkt die Einsatzbreite von speedgesintertem Zirkon ein. Trotzdem sind bei beiden Materialien Gesamtprozesszeiten unter einer Stunde möglich – was vor wenigen Jahren noch undenkbar schien. In Verbindung mit der höheren Ästhetik gewinnt aber Lithium(di)silikat den Zeitvergleich.

Lithium(di)silikat vs. Zirkon: 3:3

e.max® oder Zirkon: Welches Material ist einfacher in der Nacharbeit und Finalisierung?

Im Anschluss an die maschinelle Bearbeitung und den Brand müssen die Restaurationen aufgepasst werden. Hier ist eine Nassbearbeitung mit der Dentalturbine, beispielsweise mit dem FAB Toolset DT Zirconia, bei beiden Materialien empfehlenswert. Materialien wie Glaskeramik oder Oxidkeramiken besitzen eine sehr schlechte Wärmeleitfähigkeit, weshalb wir eine Kühlung empfehlen. Andernfalls können Risse durch den hohen Temperaturkontrast im Material entstehen. Der Aufwand für das Aufpassen verhält sich bei beiden Materialien ähnlich. Wie in der maschinellen Bearbeitung ist bei Lithium(di)silikat wegen der Sprödigkeit höhere Vorsicht geboten. Die Werkzeuge müssen wirklich scharf sein, sonst kommt es zu Absplitterungen. Bei Zirkoniumdioxid dagegen nutzen sie sich aufgrund der Härte des Materials schneller ab.

Die Finalisierung von Lithium(di)silikat oder ästhetischem Multilayer Zirkon ist ebenfalls vergleichbar. Immer häufiger sind Malfarben oder Keramiken für beide Materialien geeignet und unterscheiden sich somit nicht im Workflow und im Keramikbrand. Durch die niedrigere Grundästhetik ist bei Zirkon, je nach Indikation und Anspruch, ein etwas höherer Finalisierungsaufwand einzukalkulieren. Gerade in der Kaufläche ist Multilayer Zirkon häufig zu weiß und muss nachgemalt werden. Dennoch lässt sich kein eindeutiger Sieger in dieser Kategorie feststellen.

Lithium(di)silikat vs. Zirkon 4:4

e.max® oder Zirkon: Welches Material lässt sich besser befestigen?

Sowohl Lithium(di)silikat als auch Zirkon lassen sich im Mund konventionell sowie adhäsiv befestigen. Ob die Zementierung einer hochästhetischen Frontzahnkrone sinnvoll ist, ist eine andere Frage. Diese Kategorie konnte aber weder für die Lithium(di)silikate, noch für die Zirkone den entscheidenden Punkt liefern.

Lithium(di)silikat vs. Zirkon 5:5

Endergebnis e.max® vs. Zirkon: 5:5 unentschieden

Wenn es also um die Frage e.max® oder Zirkon? geht, so setzt sich keines von beiden Materialien eindeutig durch. Letztendlich kommt es auf das Anwendungsgebiet und die Indikation an, die sich auch nur bedingt bei beiden Materialien überschneiden. Lithium(di)silikat wird bevorzugt für ästhetische Restaurationen wie Veneers, Onlays, Inlays oder Frontzahnkronen eingesetzt. Alles größer als eine 3-gliedrige Brücke ist monolithisch nur aus Zirkon herstellbar. Wenn Festigkeit im Vordergrund steht, führt also kein Weg an Zirkon vorbei.

Unsere Zahntechnikermeister:innen im Haus haben es so zusammengefasst: schöner ist Lithium(di)silikat – aber auch zickiger. Zirkon ist als Material vielseitiger und verzeiht etwas mehr Fehler.

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